Der 4. Brief – Durchs wilde Kurdistan

Dogubeyazit, 1. September 2002

Hallo,

ja, ich bin immer noch in der Türkei, Anke ist seit einer Woche wieder weg. Die drei Wochen mit ihr waren ziemlich anstrengend, was weniger an Anke persönlich lag, als an dem was wir so gemacht haben.

Zuerst haben wir den zweithöchsten Berg der Türkei bestiegen: Suephan Dagi, 4458 m (in manchen Karten auch 4058 m). Dem Ganzen ging ein Tag auf Verwaltungs-, Regierungs- und Militärbehörden voraus, um ein Permit zu bekommen, letztendlich bekamen wir keins, aber den Hinweis, wenn wir es trotzdem versuchen und uns passiert was, dann hätten sie uns eben nie gesehen … Mit dieser Abmachung sind wir los. Zum Glück hatten wir vier Tschechen getroffen mit denen wir alles zusammen gemacht haben, denn zwei Frauen werden mit irgendwelchen Outdoor-Ideen nicht ernst genommen, wir haben immer nur den Hinweis bekommen, es wäre zu kalt und überhaupt …

Mit dieser Erfahrung sind wir weiter zum Ararat. Dort war das alles viel komplizierter, obwohl wir uns wieder mit zwei Tschechen zusammengetan haben. Aber insgesamt wollte jeder nur Geld, wir wollten keine 500 USD bezahlen und sind irgendwann aus einem Reisebüro rausgeflogen, weil ich Fragen gestellt hatte (die mir keiner beantworten wollte). Das Ganze hat sich zu einem Spießrutenlauf entwickelt, weil uns die ganze Mafia aus diesem Büro behindern wollte. Wir sind dann doch bis zum ersten Camp, aber es hörte den ganzen Weg nicht auf, jeder wollte bestochen werden, drohte damit, das Militär anzurufen, wenn wir nicht umdrehen oder zahlen, besonders die Führer einer Gruppe im ersten Camp. Auf dem Rückweg flogen dann auch noch Steine. Letztendlich sind wir umgedreht, weil es insgesamt wenig Spaß gemacht hat, den ganzen Tag zu diskutieren, die beiden Tschechen keine Nerven mehr hatten (sie mussten ja auch diskutieren) und Anke krank wurde.

Nach ein paar Tagen Genesung in Dogubeyazit sind wir noch weiter in den Norden gefahren, aber auch das ist wohl die anstrengendste Gegend der Türkei, fast keine Frauen auf der Straße, und wenn, dann ganz verschleiert und irgendwie verbittert. In Agri haben wir eine einzige Frau gesehen, in anderthalb Stunden, während wir auf die Abfahrt des Minibusses gewartet haben. Auch in dieser Gegend gab es ein paar Ausnahmen: In Ercis konnten wir unbehelligt rumlaufen und ich habe mehr westlich gekleidete Frauen als mit Kopftuch gesehen. Auf dem Weg nach Kars wurden wir für Russki gehalten, und dort war auch die ganze Atmosphäre etwas dubios. Laut unseres Reiseführers gibt es überall im Gebiet zur ehemaligen Sowjetunion viele russische Prostituierte, alle billigeren Hotels sind damit besetzt, besonders in Trabzon. Das hat uns dann nicht mehr motiviert, weiter gen Norden zu fahren.

Nachdem Anke wieder zurück geflogen ist, bin ich noch einmal ganz in den Süden, an die irakische und syrische Grenze. Das ist hauptsächlich kurdisches Gebiet und viel angenehmer. Es gibt viele Frauen auf der Straße, mit und ohne Kopftuch, in kurdischen Kleidern, in türkischen, mit Mantel oder westlich. Was aber das Wichtigste ist: fröhlich, es gab lachende Frauen, kichernde Mädchen … Die Menschen waren hilfsbereit wie überall, aber mit mehr Distanz. Man würde nicht sofort in ein Hotel gezerrt, es standen nicht zehn Männer eng um mich herum und gafften … In Urfa war ich lange auf dem Basar und habe ein paar Sachen gekauft, ohne Nötigung. Nur einmal wollte mich jemand heiraten, und auch das Problem war auf Grund meines Eherings schnell geklärt.

Insgesamt kann ich den westlichen Teil der Schwarzmeerküste, den mittleren Teil und den östlichen Süden der Türkei empfehlen, den touristischen Teil im Südwesten kenne ich nicht und der Nordosten ist zwar interessant, aber anstrengend, auch wohl der konservativste.

Ich hänge jetzt wieder in Dogubeyazit rum, denn mein Visumsantrag für den Iran wurde abgelehnt und jetzt bin ich mal wieder dabei, mit einer Menge Dollars auf dubiosen Wegen eine Registrierungsnummer zu bekommen, mit der ich dann auch ein Visum bekomme …

Ein paar Details zu meiner Suzuki:

Mittlerweile bin ich über 8.000 km gefahren und es sind noch keine wirklich ernsten Probleme aufgetaucht. Öl + Ölfilter ist gewechselt, der Luftfilter zweimal gereinigt und gestern habe ich ihr eine neue Kette verpasst inkl. dem vorderen Ritzel, das hintere neue Ritzel, in Istanbul gekauft, passte doch nicht. Die alte Kette konnte nur mit Hilfe diversen Werkzeugs und eines belgischen, Motorrad fahrenden Paares entfernt werden …

Viele Grüße,
Katharina