Der 2. Brief – Von Griechenland in die Türkei

Istanbul, 16. Juli 2002

Hallo,

Nachdem ich mit meinem Motorrad etwas vertraut geworden bin und die ersten Erfahrungen im Off-road fahren, Stürzen und Motorrad aufheben gemacht habe, habe ich mich jetzt nach Istanbul gewagt.

Meine letzte E-Mail hatte ich in Ioanina geschrieben. Dort habe ich mich dann noch länger aufgehalten als gedacht und habe Werkstätten kennen gelernt. Jedes Mal, wenn mein Motorrad umfällt, hat es den Gepäckträger so verbogen, dass er den Reifen angeknabbert hat. Zuerst wurde noch eine Verstärkung eingeschweißt (für ein Lächeln), dann wurde er noch einmal gerade gebogen und bei Meteora habe ich endlich jemanden gefunden, der den Gepäckträger so geändert hat, dass er zwar noch verbiegt, es aber nicht mehr stört (wieder für ein Lächeln).

Nach Ioanina bin ich ins Pindosgebirge, die letzten einsamen Plätze Griechenlands. Danach Meteora, bin mit drei Österreichern geklettert. Da sie mehr Oberarme als Füße hatten und das in Meteora weniger gefragt war, war ich genötigt vorzusteigen (7+).

Weiter zur Halbinsel Pilion und dann Sithonia.

Oft wurde ich gefragt, warum ich alleine unterwegs bin. Mit Griechen war das einfach, ich meinte, Griechenland wäre doch nicht gefährlich, die Leute nett … da wurde mir nur zugestimmt, Thema beendet. Bei Touristen war die Reaktion von "mutig" bis "wahnsinnig". Als Ziel hatte ich in Italien Griechenland und in Griechenland Istanbul angegeben, für viele hat sich das von Peking nicht sehr unterschieden. Einmal wurde ich gefragt, wie alleine, mit einer Freundin? Man ist also ohne Mann immer alleine … Als allein Reisende, Motorrad fahrende Frau wird man sofort in die militante Emanzenecke einsortiert und so bemühen sich die, denen ich wohl gesonnen bin, um eine politisch korrekte Sprache …

Griechischer Verkehr ist wunderbar. Jeder macht, was er will, lässt den anderen aber auch machen. Als Motorrad darf man alles, nur nicht erwarten, dass einem viel Platz eingeräumt wird, dafür kann man mitten auf der Kreuzung die Karte aufschlagen und jeder fährt drum herum. Zum Überholen wird einem Platz gemacht und oft, wenn ich überholt wurde, wurde erst gehupt und dann gewartet, bis ich Platz gemacht habe. So ist man fast unabhängig vom Gegenverkehr.

Der türkische Verkehr gleicht dagegen mehr einem Computerspiel. Auf dreispurigen Straßen gibt es mindestens fünf, zum Spuren wechseln ist nur ein Panzer geeignet, und schwächere Verkehrsteilnehmer werden einfach mit dem Fernlicht von der Fahrbahn gescheucht, auch wenn sie schon zwischen Bus und Laster eingeklemmt sind, einfach hinten auffahren …

Nach zwei Tagen Eingewöhnung in Istanbul, kann ich so manche Unterschiede zu Indien erkennen, hier schaffe ich es, zwei Minuten nicht angesprochen zu werden …

Viele Grüße aus dem viel zu warmen Istanbul,
Katharina